Dieter Schneider: „Ich brenne für die Leichtathletik“
  22.09.2022 •     WLV , Top-News WLV


Am vergangenen Sonntag wurde beim WLV-Verbandstag in Bad Liebenzell Dieter Schneider aus Mössingen, der bisherige Vizepräsident und Vorstand Bildung und Sport, einstimmig zum neuen Präsidenten des WLV gewählt. Ewald Walker führte am Tag nach der Wahl für das Schwäbisch Tagblatt Tübingen das folgende Interview mit dem Nachfolger von Jürgen Scholz.

Dieter Schneider (68) war beruflich in Führungsfunktionen bei der Polizei   erfolgreich, und zuletzt als Präsident des Landeskriminalamts Baden-Württemberg tätig. Auch im Sport legte er eine erfolgreiche ehrenamtliche Karriere hin: als Mitorganisator des Mössinger Stadtlaufs, Gründer der LG Steinlach (heute Steinlach-Zollern) und als Verantwortlicher für den Freizeit-, Lauf- und Gesundheitssport sowie den Bereich der Bildung im Württembergischen Leichtathletik-Verband (WLV). Am Sonntag wurde Dieter Schneider in Bad Liebenzell in das höchste Amt im Württembergischen Leichtathletik-Verband als siebter Präsident in dessen 70-jähriger Geschichte gewählt. Grund genug, den aktiven End-Sechziger zum Tagblatt-Interview einzuladen.

Dieter Schneider, vom LKA-Präsidenten zum WLV-Präsidenten, mit welcher Motivation treten Sie Ihr neues Amt an?

Dieter Schneider: „Meine Motivation ist sehr hoch, sonst wäre ich diesen Schritt nicht gegangen. Ich weiß, was da auf mich zukommt. Eigentlich wollte ich meine ehrenamtlichen Tätigkeiten schrittweise zurückfahren. Nach Gesprächen mit Verantwortlichen im WLV und reiflicher Überlegung habe ich mich entschlossen, für das Amt des WLV-Präsidenten anzutreten und meine Erfahrungen einzubringen.“

Mit welchen Inhalten und Zielen wollen Sie als WLV-Präsident Ihre Aufgaben angehen?

Dieter Schneider: „Der WLV ist fachlich, personell und finanziell gut aufgestellt. Er ist innovativ und nimmt im Deutschen Leichtathletik-Verband in vielen Bereichen eine Vorreiterrolle ein. Es ist deshalb nicht zwingend notwendig, etwas gänzlich Neues aus dem Boden zu stampfen. Aber: ausruhen, oder im Strom nicht zu rudern, heißt, zurückzutreiben. Ich möchte in den bestehenden Bereichen neue Impulse setzen. Der WLV muss für die Vereine da sein und diese unterstützen. Nach den Corona-Lockdowns müssen  Walking und Laufen in den Vereinen mit attraktiven Angeboten wiederbelebt werden. Die Nachwuchsarbeit und Förderung von Talenten ist mir ein wichtiges Anliegen, ebenso die Forcierung der Kernkompetenzen im Bereich der Bildung mit Trainerschulungen mit der Aus- und Fortbildung. Neben kompetenten Betreuern im Nachwuchsbereich benötigen wir hochqualifizierte Trainer, um die Talente in den Leistungssport zu führen.“

Das ist ein ambitioniertes Programm…

Dieter Schneider: „Unsere Ausgangsbasis für die leistungssportliche Entwicklung ist gut. Das zeigen nicht zuletzt tolle Erfolge der Jugend auch auf internationaler Ebene. Die Leichtathletik aber hat ein Problem im Spitzenbereich. Die EM in München war sportlich, vom Zuspruch im Stadion und in den Medien sehr gut. Bei der WM in Eugene hat die deutsche Leichtathletik dagegen enttäuscht und sehr schlecht abgeschnitten, wie auch DLV-Präsident Jürgen Kessing beim WLV-Verbandstag in Bad Liebenzell am vergangenen Wochenende deutlich unterstrichen hat.“

Wie wollen Sie diese Defizite beheben?

Dieter Schneider: „Ich denke, die Gesellschaft muss sich fragen, ob sie den Spitzensport in der Leichtathletik auf Weltklasseniveau haben will oder nicht. Wenn ja, dann muss man dafür entsprechend professionelle Bedingungen schaffen. Und dann kostet der Leistungssport auch Geld. Die Diskussion darüber müssen wir aus den Sportverbänden anschieben und die Sportpolitik muss sich positionieren und entscheiden.“   

Wie sieht denn Ihr Weg an die WLV-Verbandsspitze aus?

Dieter Schneider: „Ich komme aus dem Laufsport und der Jugendarbeit. In diesem Bereich habe ich seit 2006 in Mössingen einiges mit aufgebaut. So haben wir 2008 die heutige LG Steinlach-Zollern (die heute 600 Mitglieder hat) gegründet, und mit dem 2010 eingeweihten Ernwiesenstadion wurde eine Basis für einen zeitgemäßen Sportbetrieb und Wettkampfsport geschaffen. Mit meinem Engagement im Breitensport an der Basis bin ich 2008 zum Breitensportwart im WLV gewählt worden und bis heute im Freizeit-, Lauf- und Gesundheitssport beim Verband verantwortlich und jetzt nach 14 Jahren zum Präsidenten gewählt worden.“

Die Schuhe Ihres Vorgängers Jürgen Scholz, und deren Vorgänger wie Karl-Heinrich Lebherz und den Tübinger Alfred Jetter sind groß. Wie wollen Sie diese für sich anpassen?

Dieter Schneider: „Jürgen Scholz hat mit großem Engagement den Verband 18 Jahre lang geführt. Da passe ich nicht rein. Ich denke, es gilt noch immer: ohne Breite gibt’s keine Spitze. Ich werde einige Schwerpunkte herausgreifen. Insgesamt will ich die Balance zwischen den einzelnen Bereichen Breiten-, Leistungs- und Nachwuchssport im Auge behalten.“

Die Mitgliederentwicklung, derzeit sind 93713 Leichtathleten im WLV, ist seit Corona rückläufig. Von Jürgen Scholz 2004 angepeilten 120000 Mitglieder ist nicht erreicht worden. Wie wollen Sie dem rückläufigen Trend entgegenwirken?

Dieter Schneider: „Die Leichtathletik leidet wie andere Sportarten nicht erst seit Corona an der rückläufigen Bindung der Menschen an die Vereine. Wir müssen deshalb die Qualität der Angebote so gestalten, dass Bewegungsangebote der Vereine für die Gesundheit mehr bewusst gemacht werden. Man kann heute nicht mehr von einer lebenslangen Bindung an einen Verein oder eine Sportart ausgehen. Eine  Vereinsbindung besteht heute vielfach nur noch temporär für ein paar Jahre. Die Vereine müssen dem Zeitgeist mit flexiblen Angeboten Rechnung tragen. Das Ziel für den WLV ist jedenfalls, in den kommenden Jahren wieder Richtung 100000 Mitglieder zu kommen“.

Württemberg und Stuttgart waren früher mit herausragenden Veranstaltungen wie EM, WM, Sparkassencup und Hochsprungmeeting Eberstadt eine „Macht“ in Sachen Welt-Leichtathletik. Seit einem Jahrzehnt macht die große Leichtathletik einen Bogen um diesen Standort. Der neue Sportwart Max Kottmann will eine Initiative Richtung eines Meetings auf der Festwiese in Stuttgart hinter der Fußball-Arena starten.  Was halten Sie davon?

Dieter Schneider: „Das ist sicher nicht verkehrt. Dazu brauchen wir aber ein überzeugendes Konzept und ein umfangreiches Paket vieler Partner wie Sponsoren, Kommune und das Land.“

Wie sieht denn die Meetingsituation im WLV überhaupt aus?

Dieter Schneider: „Da haben wir in unserer Region mit dem Internationalen Läufermeeting in Pliezhausen und Jump and Fly in Mössingen zwei beachtliche Meetings zu bieten. Vielleicht kehrt ja auch der Soundtrack in Tübingen wieder zurück. Viel mehr ist derzeit in Württemberg leider nicht da.“

Wie wollen Sie dieses Problem angehen?

Dieter Schneider: „Vielleicht können wir da eine Initiative mit etablierten und interessierten Veranstaltern angehen. Was wir brauchen sind kompaktere, spannende Wettkampfformate mit Eventcharakter für die Zuschauer, keine langatmigen Veranstaltungen.“

Es heißt, Sie sind Übergangspräsident, bis der ehemalige Weltklasse-Hochspringer Wolfgang Kreißig übernimmt. Was ist da dran?

Dieter Schneider: „Der Vorstand des WLV befindet sich mit neu gewählten jüngeren Kollegen im Umbruch – eine Situation, um die uns andere beneiden. Ich sehe meine Aufgabe auch darin, mit meiner Erfahrung Kontinuität und Erneuerung in der Verbandsarbeit für eine gewisse Zeit auszutarieren. Wie es dann weiter geht, wird man sehen.“

Sie sagten beim Verbandstag auch, die Leichtathletik sei für Sie eine Herzensgelegenheit. Was meinen sie damit?

Dieter Schneider: „Ich brenne für die Leichtathletik, weil diese Sportart für Jede oder Jeden etwas bereit hält. Wir müssen die Begeisterungsfähigkeit, wie wir sie bei der EM in München wieder kennengelernt haben, ausbauen. Dazu zählen spannende Wettkämpfe mit Erlebnischarakter, um so den medialen und gesellschaftlichen Stellenwert zu erhöhen.“  

Mal ehrlich, Dieter Schneider: ist Ehrenamt mehr Last oder mehr Lust?

Dieter Schneider: „Ehrenamt ist Lust und gibt ein gutes Gefühl. Sonst macht es keinen Sinn. Nehmen Sie nur als Beispiel aus der Nachwuchsarbeit, wenn es gelingt, die Entwicklung von jungen Menschen positiv zu beeinflussen und aus ihnen starke Persönlichkeiten werden. Na ja, manchmal ist Ehrenamt auch Last, wenn man bei Problemen gegen Windmühlen ankämpfen muss oder einfach die Kapazitäten fehlen, um angestrebte Ziele zu erreichen.“ 


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